Salbit - Zwillingsturm - Jimmy (6b+ rope-solo)
Seit meinem letzten Felskontakt bei der Sanierung der Via Matthias am Furkapass waren bereits gut sechs Wochen vergangen als sich nun wieder eine Gelegenheit bot bei guten Bedingungen in den Bergen unterwegs zu sein. In der Zwischenzeit musste knapp ein Bouldertraining pro Woche für den Fitnesserhalt reichen.
Dementsprechend reizte es mich mal wieder richtig lang unterwegs zu sein und den Tag am Fels richtig auszukosten. Die Sommersaison hat es halt an sich, dass viele Kollegen bereits verplant sind. Dazu kam noch eine Reihe unglücklich Verletzter (weiterhin gute Besserung an dieser Stelle).
So begann das Rad zu spinnen und nicht zuletzt meine guten Erfahrungen vom rope-solo des Alpsteinmarathons bewogen mich einen ambitionierten Plan auszuhecken.
Eine lange, homogene, halbwegs moderate Tour mit vernünftiger Absicherung sollte es sein. Die Jimmy am Salbit Zwillingsturm (11 SL, 430m, 6b+) erfüllt diese Kriterien weitgehend - wäre da nicht der deftige Zustieg mit 1300 hm. In meinen Tagträumen färbte sich dieser Umstand aber schnell rosarot und ich sah eine Chance die Tour an einem Tag von Zürich und wieder retour zu schaffen. Es kam dann natürlich ein wenig anders...
Nicht mehr weit bis zum Einstieg von Jimmy, etwas rechts der Bildmitte. |
Den Wecker hatte ich auf 4:00 Uhr gestellt. Die wenigen anderen Frühaufsteher auf der Strasse störten kaum, sodass ich um 5:45 am Parkplatz Grit loslief. Zügig wollte ich sein, aber trotzdem bedacht mich nicht bereits am Anfang zu verheizen. Denn der Rucksack war nicht gerade leicht: 70m Einfachseil, 18 Express, Cams #0.2-3 + #0.3-1, 2.5 Liter Wasser und der restliche Kram, den man so dabei hat. Einen Liter Wasser führte ich zur Hydration unterwegs zusätzlich mit und füllte unterwegs sogar am Bach und der Hütte nach.
Ohne Pause gemacht zu haben stand ich nach 2:30 Stunden (1:30 bei der Hütte) endlich am Einstieg. Ich hatte eigentlich gehofft 2 Stunden zu brauchen, aber das hätte mich bei meiner aktuellen Kondition zu viele Körner gekostet.
Die Ausrüstung war schnell parat gemacht, parallel dazu gönnte ich mir noch einen Riegel und einige kräftige Schluck Wasser. Nur kurz musste ich grübeln wie rum das GriGri nochmal einzufädeln war (peinlich peinlich)...die fehlende rope-solo Routine machte sich da bemerkbar...aber mit ein wenig Sachverstand war der korrekte Setup trotzdem bald parat.
Nun, der Einstieg war aper, aber der erste Bolt der Clog & Stock schien einfacher zu erreichen und allgemein wirkten die Strukturen dort freundlicher, sodass ich statt dem Originaleinstieg der Jimmy den Start über C&S wählte um einen potenziellen Kaltstart zu vermeiden (wobei kalt war mir nach dem Zustieg wahrlich nicht).
Der Start verlief dann auch reibungslos (nicht die Felsreibung, die ist super), eine kurze Stelle fordert ein wenig Technik. Ich hatte natürlich noch viel Seil und so ging es weiter, nun offiziell wieder in der Jimmy.
Ich hatte im Hinterkopf, dass der kommende Teil hard for the grade sei und war dadurch überrascht, als es dann gar nicht so übel war - allerdings hatte man in der Zwischenzeit die Stände neu platziert und so war es eben nur 6a+ und nicht 6b+...
Aber auch die folgende, nominelle 6b+ Verschneidung fand ich dann eher gnädig, aber nahm es natürlich gern. Nur bei dem V-Dach hatte ich jedes Mal das Gefühl es falsch zu machen (ich bin den Nachstieg jeweils auch geklettert, nicht jumart).
So kam ich gut voran und war bald einmal am Übergang zum oberen Teil angelangt, welchen ich sehr zügig absolvierte. In der Zwischenzeit war noch eine andere Seilschaft in die C&S eingestiegen.
Nun folgte die ewig lange Spreiz-Verschneidung, dabei merkte ich die Anstrengung langsam schon mehr. Der Move um die Kante ging mir einfach, gut geklemmt scheint hier halb geklettert...
Den folgenden down-climb konnte ich mit dem rope-solo setup leider nicht so einfach klettern, dazu hätte ich zuerst 3m Schlappseil erzeugen müssen, also liess ich mich einfach kurzerhand ab. Für die Querung im Nachstieg beliess ich es ebenfalls bei einem Pendel.
Nun war ich gespannt auf die vermeintlich obligatorische 6b-Wandstelle - und tatsächlich, mit den Füssen knapp einen Meter über dem letzen Bolt steht man genau dort wo es schwierig wird und blickt auf den Stumpf des originalen Crux-Bohrhakens. Aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen wurde dieser leider nicht ersetzt. Immerhin muss man dann wirklich nur einen Move machen und kann auf Gegendruck einen soliden #0.4er legen. Idealerweise klemmt man den gleichen Riss auch gerade um die Position aufzulösen, sonst wird es ggf. noch zäh.
Aber im Vergleich zur folgenden Powerpiaz-Länge ist das bloss Vorgeplänkel. Und dann ist der Stand auch noch maximal unbequem - hier hat man möglicherweise "taktisch" platziert um Zwischenbohrhaken zu sparen? Auf jeden Fall war es auch aus rope-solo Sicht ungünstig hier Stand zu machen, denn bereits der Weg zum ersten Klipp ist delikat und so ein Faktor-2 Abrutscher in den Stand reizte mich nun gar nicht. Also behalf ich mir hier im Vorstieg kurzerhand mit einem Tritt auf die Bolts. Das Dach lässt sich, ist das Seil einmal eingehängt, dann top-rope klettern und mit einem Knieklemmer gehts halbwegs. Aber danach geht es vollgas im Piaz weiter und man steht über zwei weitere Klipps durchgehend auf reinem Gegendruck. Hier ging ich im Vorstieg ebenfalls auf Nummer sicher und stand beim Klippen wieder auf die Bolts. Immerhin folgt dann ein guter Rastpunkt bevor man an guten Jams in eine Verschneidung klettert. Der Riss läuft aber aus und das Stemmen ist dann reichlich anstrengend - mein rechter Oberschenkel war übel gepumpt und mir direkt ein wenig schlecht...irgendwie konnte ich die Übersäuerung dann doch abschütteln und die letzen Moves um die Kante ziehen. Das geht auch ganz kommod hat man die Jams erstmal entdeckt.
Nachdem ich am Stand etwas verschnauft hatte, folgte ich nun dem gefühlt ewig langem Risssystem, das mit verschiedensten Breiten zwischen Finger und Faust aufwartet. Mir fiel dieser Teil relativ einfach, bloss die Schmerztoleranz meiner Füsse wurde durch das anhaltende Verklemmen der Füsse auf eine ziemliche Probe gestellt. Der eigentliche Stand befindet sich dann tatsächlich jenseits jeder Vernunft rechts im plattigen Abseits. Mir reichte das Seil nicht ganz zum Absatz oberhalb, also machte ich Stand an einem Bohrhaken und einem super #3.
Nun war ich gespannt, ob ich den Powerpiaz im Nachstieg durchziehen würde. Der dünne Riss war kein Problem und auch das Dach war hauruck schnell überwunden, im Piaz riskierte ich dann aber zuviel und rutschte mit dem Fuss ab - schade! Im zweiten Nachstiegs-Go und mit mehr Gegendruck konnte ich es schlussendlich durchziehen. 6b+? Klar, ich war mittlerweile schon recht geschlaucht, aber die 6c des benachbarten Villiger-Pfeilers kam mir damals deutlich weniger schwierig vor. Aus dieser Perspektive fände ich hier in der Jimmy 6c+ durchaus akzeptabel. Auch weil mir keine der anderen als 6b/+ kolpotierten Längen der Jimmy nur annähernd solche Schwierigkeiten bereitete wie der Powerpiaz.
Wie dem auch sei, es waren noch zwei Längen zu bestreiten. Es war aber glaub ich bereits gegen 17:00 Uhr und so überlegte ich kurz, ob ich nicht besser den Rückzug antreten sollte statt ans Top weiterzuklettern. Da aber von hier 1x70m ans Top reichen, entschied ich mich weiterzugehen, bereits mit dem Hintergedanken ggf. den Abstieg auf den nächsten Tag zu verschieben und auf der Hütte zu schlafen.
So kroch ich ziemlich "am Zahnfleisch" die nächste Länge (6a/+) hoch, die seichten Füdli-Risse sind wohl auch in frischem Zustand nicht der Obergenuss, obwohl der Fels schon super ist.
Gespannt war ich auf den steilen Aufschwung (6b+) der letzten Länge...wer mich kennt, weiss, dass steil nicht so mein Ding ist. Etwas argwöhnisch war ich auch wegen Absatzes unterhalb - den ersten Bolt muss man ziemlich ankletteren und bei einem Sturz vor dem Klipp würde ich mit der Seildehnung ziemlich sicher draufknallen. Glücklicherweise gibt es ein paar brauchbare Tritte und man kann den Klipp dann aus einem guten Handjam heraus erledigen. Ein, zwei kräftige Moves bringen einen dann an den nächsten Henkel und mich mit dem zweiten Klipp langsam aus der "no-fall" Zone. Beim Exit über die Kante wartet dann ausnahmsweise kein brauchbarer Jam, ja nicht einmal irgendein brauchbarer Griff. Stattdessen gilt es, sich an dem offensichtlichen Tritt um die Kante zu ziehen.
Die geneigte Zielgerade verlangt dann nochmals etwas Reibungs-Commitment an Seitgriffen, die Bolts sind recht distant und richtig gut legen kann man auch nicht. Dazu kam für mich, dass sich das Seil plötzlich nur mühsam ziehen liess, sodass ich für einen Klipp zur Sicherheit den Express festhielt.
Um knapp 18:30 Uhr war es dann aber vollbracht und ich nach 9:40 Stunden klettern am Top der Jimmy angekommen. Mein grösstes Problem waren dabei weniger die Kletterschwierigkeiten gewesen als die zunehmende, allgemeine Ermüdung und der damit einhergehende Tempoverlust.
Bekanntlich ist es vom Gipfel des Zwillingsturms noch ein gutes Stück zurück in "sicheres" Gelände. Der Plan war den letzten Teil des Südgrats zum Gipfel aufzusteigen und von dort den Abstieg zu Fuss zu bestreiten. Die Alternative wäre Abseilen, was mit einem 70m Seil aber zum Teil entlang einzelner Bohrhaken erfolgen müsste.
Mit 1x35m abseilen kam ich vom Zwillingsturm grad so an den Fuss der letzten drei Südgratlängen (3c, 5b, 5a). Für diesen Teil vom Zwillingsturm zum Gipfel benötigte ich eine Stunde, aber das könnte je nach Modus durchaus länger gehen. Die Stimmung war eher düster, da bereits seit geraumer Zeit hoher Nebel aufgekommen war. So blieb mir diesmal die sonst tolle Aussicht leider verwehrt.
Der mühsame Abstieg war mir von einer vergangenden Südgratbegehung bekannt - es warten zahlreiche kurze Abkletterstellen und allgemein sehr viel loser Schutt, Sand und ein rutschig-steiler Pfad durch die breite Schlucht. Man sollte diesen Teil auf jeden Fall nicht unterschätzen. So brauchte ich dann tatsächlich 1:40 h - nur zurück bis zur Hütte, wo ich kurz nach 21 Uhr eintraf. Besonders schnell war ich natürlich nicht mehr unterwegs, dafür schmerzten meine Beine einfach zu sehr...am Weg retour traf ich dann nochmals auf die schwedische Seilschaft aus C&S und wir unterhielten uns ein wenig über die Klettermöglichkeiten in der Schweiz.
In der Hütte hatte man mir nach kurzem Funk vom Zwillingsturm noch freundlicherweise ein Abendessen auf die Seite gestellt und sogar ein Schlafplatz war in der vollen Hütte noch zu finden. Um 22 Uhr hiess es dann Lichter löschen. Ich schlief auf jeden Fall ziemlich gut, zumindest für Massenschlag-Verhältnisse. Ausschlafen lag leider nicht drin, denn um 9:15 Uhr erwartete man mich zurück in Zürich, also hatte ich den Wecker auf 5 Uhr gestellt und kam geradeso rechtzeitig retour.
Mein Fazit, nun, da der brutale Muskelkater langsam gewichen ist...? Ich war sicher etwas optimistisch bezüglich meiner Kondition, so musste ich doch ziemlich auf die Zähne beissen. Umso zufriedener bin ich, dass das Unternehmen im Grossen und Ganzen geklappt hat und ich diesen super Tag gründlich auskosten konnte :)
ps: Scheinbar gab es nach der Sanierung noch ein paar Anpassungen, vor allem der esten paar Stände. Das Foto-Topo von Bergtour war bei meiner Begehung ziemlich akkurat. Auch das gezeichnete Topo von Marcel Dettling stimmt bis auf die erwähnten ersten Längen sehr gut. Wo es abweicht habe ich es hier kurz angepasst.
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Aufdatiertes Topo von Marcel Dettling (Stand 08/2019) |
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