Hundstein - Alpstein(ultra)marathon 6b+ (rope-solo)
Aufgrund seiner Länge und homogenen Schwierigkeiten stand der Alpsteinmarathon schon lange auf meiner Wunschliste. Allerdings liegt der Einstieg im Herzen des Alpstein-massivs und fordert dementsprechend eine zusätzliche Vorlaufzeit von ca. 1:30-2:00 Stunden. Dadurch waren bisher immer andere Ziele näher liegend, aber dieses Jahr wollten wir uns in den Sommerferien die Zeit nehmen. Leider fasste Miriam dann zur Unzeit eine Corona-Infektion aus und sämtliche Kollegen waren ebenfalls in den Ferien. So stand wieder einmal ein Alleingang zur Diskussion. Nicht dass ich sonderlich scharf darauf bin mich allein eine Wand hochzuwerken, denn das Handling ist schon mühsamer als in einer Seilschaft. Und natürlich fehlt mit dem (Kletter)partner ein wichtiger Teil des Erlebnisses, ganz abgesehen von der fehlenden sicherheitstechnischen Redundanz. Aber manchmal kann man "rope-solo" eben unabhängig unterwegs sein, was wohl auch der Hauptvorteil dieser Methode ist. Die Tatsache, dass man jede Länge zweimal klettern muss, kann man je nachdem auch als "dürfen" sehen, dh. man bekommt die Gelegenheit jede Länge nochmals zu erleben bzw. Varianten zu probieren. Und ein wenig reizte mich dann schon auch noch die Herausforderung, ob ich diese Tour allein bewerkstelligen könnte. Aufgrund von Erfahrungswerten aus dem letzten Alleingang am Schafberg (Intermezzo) und ein paar Überschlagsrechnungen schien es auf jeden Fall möglich. Im Allgemeinen sollte es möglich sein in etwa so schnell zu sein wie eine langsame 2er-Scheilschaft, da man ja jede Länge auch noch abseilen muss. Auf dem Papier gab es auch ein paar Längen wo ein seilfreies Klettern denkbar schien, was sich positiv aufs Zeitbudget auswirken würde. So war ein Plan und der Entschluss gefasst!
Tiefblick auf den Fählensee aus der Route. Hier ist der Begriff Vogelperspektive durchaus angebracht! |
Ich stieg am Vorabend vom Parkplatz Pfannenstiel (5 CHF Parkgebühr, Twint möglich) zur Fählenalp auf, um dann am nächsten Tag direkt loslegen zu können. Nicht ganz planmässig war der penetrante Regen an diesem Abend, der gewisse Zweifel aufkommen liess, ob denn am nächsten Morgen die Wand (ausreichend) trocken zum Klettern sein würde. Um das Material möglichst trocken zu behalten lief ich lediglich in Badehose und T-Shirt los, was sich andererseits auch positiv auf die Laufgeschwindigkeit auswirkte (1:30h bis zur Alp). So erreichte ich ziemlich durchnässt um 19:10 Uhr die Stallungen der Fählenalp.
Mitgebracht hatte ich nur das Nötigste, musste ich ja dann alles mit durch die Wand nehmen. Konkret: Badehosen, verkürzbare Kletterhosen, 2 T-Shirts, leichtes Regenjäckli, Zustiegschuhe, 2 Paar Socken, (hauch)dünnes Sonnenjäckli, Sonnenbrille/creme, Hüttenschlafsack, Stirnlampe, Natel, 50 CHF in bar, Kletter-schuhe/gurt/helm, 16 Express, 70m-Einfachseil, diverse Schraubkarabiner, GriGri+Microtraxion, Klemmkeile, drei Cliffbars, drei Packungen Chews und Trinkflaschen (2.25 Liter).
Auf der Alp erwartete man mich bereits nachdem ich mich am Vormittag kurzfristig angekündigt hatte. Zum Znacht gab es feine Chäs-Hörnli und selbstgemachten Sirup (das allermeiste wird hier selbst produziert). Alles zusammen (Halbpension+Getränk) kostete das 45.50 CHF. Lediglich die Übernachtung im Matratzenlager würde 20 CHF kosten. Bringt man das eigene Zelt, dann kann man für 5 CHF auf der idyllischen Wiese am See nächtigen. An diesem Abend war nicht viel los, aber man sagte mir dass es in den Ferien auch unter der Woche voll werden kann.
Den Wecker hatte ich auf 5:30 Uhr gestellt, völlig unnötig, denn ab 4:30 Uhr ging die Melkarbeit unterhalb des Matratzenlagers unter lautem Geglöckle und Getrample los. Nach Absprache hatte man mir freundlicherweise das Zmorge bereits parat gestellt, eine deftige Mahlzeit mit Brot, Butter, Käse und warmer Milch aus der Thermoskanne.
Kurz nach 6 Uhr muss es gewesen sein als ich mich gut gestärkt aufmachte Richtung Einstieg, der tatsächlich keine 5 Minuten von der Alp entfernt ist und auch gut ersichtlich ist (der Älpler kennt den Einstieg falls man ihn sich bereits zuvor zeigen lassen will).
Kaum am Einsteig angelangt bewiesen die Hinweise im Topo erstmals ihre Richtigkeit, da ich mich tatsächlich mit leichtem Steinschlag konfrontiert sah. Bei schlechter Witterung muss man wohl mit entsprechend mehr rechnen. Apropos Witterung - der Fels war mittlerweile immerhin oberflächlich abgetrocknet, die nassen Flecken sollten später aber kein Problem darstellen.
Der nächste Topo-Hinweis zur ersten Länge lautet "Eintrittstest" - nicht gelogen! Gleich über den zweiten Haken, kaum 2m über dem Boden gilt es trotz Kaltstart den Turbo zu zünden. Ich nahm es gelassen und gönnte mir für diese Stelle einen zweiten Versuch :D aber nicht ohne mir insgeheim zu denken: das kann ja noch heiter werden...glücklicherweise geht es danach deutlich einfacher weiter.
Ich kletterte das 70m-Seil aus bis zu einem BH anfangs von L3. Von dort seilte ich zurück ab und fixierte beim nächsten BH das Seil noch ein zweites Mal. Unten angekommen wird der Stand abgebaut, der Rucksack geschultert und am Micro-traxion gesichert wieder "nachgestiegen".
Die Kletterei in den ersten 3 SL ist gut (***) und steil, diverse Schuppen, Schlitze und Leisten machen einem das Leben hier einfacher. Wäre der Fels stellenweise nicht morsch und grasig, so wären diese Längen echt super!
Die nächste "Länge" reichte mir bis an den Stand von L4 wo sich das Gelände bereits deutlich zurückgelegt hat. Hier entscheide ich die "kurze Wasserrillenplatte" ohne Seil zu klettern, da danach ein grosses Grasband folgt und es mich wenig reizt dieses 3x zu durchqueren. So ziehe ich das Seil nach bis zum Start der L6 wo es wieder steil zur Sache geht.
Nun folgen zwei tolle 6a Längen durch die steile Wand, wo die Griffe zum Teil schon mal etwas kleiner ausfallen. Die Haken stecken nicht gerade nah beisammen, aber immer dort wo es am Schwierigsten ist. Die empfohlenen Keile konnte ich nicht wirklich brauchen, empfand aber auch keinen Bedarf. Bemerkenswert ist noch der technische Wasserrillen-Ausstieg der zweiten 6a (L7).
L8 stellt die nominelle Crux (6b+) der Tour dar. Ein seichter Riss durchzieht die steile Platte und dort wo der Riss ausläuft markieren zwei enge Bolts die Schlüsselstelle. Hier sind die Griffe und Tritte einfach nochmals eine Spur kleiner, aber insgesamt eine technische Angelegenheit, die auch verschiedene Lösungen zulässt (im Nachstieg hab ich es irgendwie anders gemacht). Ich denke dank der Haken ist die Stelle entgegen dem Topo-Hinweis nicht besonders obligat. Deutlich obligater dünkte mich hier schon eher das Anklettern des ersten Bolts. Mit einem tollen Finish an Wasserrillen gelangt man aufs nächste grosse Band.
Ganz knapp konnte ich hier noch L9 anhängen, allerdings nicht ganz ohne Gebastel, denn faktisch war das 70m-Seil einen guten Meter zu kurz...auf jeden Fall finden in L9 (6a) die tollen Wasserrillen eine Fortsetzung, allerdings muss man zuerst noch aus dem Stand raus einen ziemlich kniffligen Mantle auf die glatte Platte meistern.
Die folgenden vier Längen (L10-L13) führen durch von Stufen unterbrochenem Gelände und bewegen sich im Bereich 4c-5c. Hier entschied ich mich wieder das Seil nachzuschleppen, denn diese Längen sind nicht gerade das Bijou der Route, sodass ich froh war auf die Ehrenrunde verzichten zu können. Die Route sucht sich zwar einigermassen den schönsten Weg ohne unlogischen Stellen in Kauf zu nehmen, aber das Gelände ist hier einfach nicht besonders attraktiv, insbesondere die Steilgras-Klimmerei in L13 (4c). In Bezug auf das seilfrei Klettern hilft es mental auch, neben den geringeren Schwierigkeiten, wenn Bänder die Exposition etwas brechen und man weniger das Gefühl hat im "Fall des Falls" komplett vom Berg zu stürzen. Aber vormachen sollte man sich nichts, ein Sturz wäre aller Wahrscheinlichkeit nach trotzdem fatal und so muss man sich einfach sicher sein ein wohl kalkuliertes Risiko in Kauf zu nehmen.
In L14 (6a+) folgt dafür dann wieder Kletterei in tollem Fels von steilplattiger Natur, die sich allerdings recht gut auflöst und sich im Vergleich zu den anderen Längen weniger streng anfühlte. Von L15 (5b) lässt sich noch ein grosser Teil anhängen, in etwas bis zum Ende der ansteigenden Querung. Zu Beginn wartet jedoch noch eine plattige Stelle, die es für den Grad noch ganz schön in sich hat. Da hat man wohl die exzellente Reibung in die Bewertung einfliessen lassen...Die letzten Meter von L15 bin ich dann nochmals seilfrei geklettert, um an einen bequemeren Stand zu gelangen.
L16 (5c+) zeigt sich imposant: eine kompakte Wand kumuliert in einem steilen Kamin, super!
Das Seil reichte noch für den ersten Teil von L17 (5b), wo nach ein paar schrofigen Stufen wieder ganz guter Fels wartet. Langsam aber sicher machten sich die ersten Ermüdungserscheinungen bemerkbar, vor allem in Form von schmerzenden Füssen und einem etwas langsameren Grundtempo. Andererseits bestand auch kein Grund zur Eile, der Blick auf die Uhr und ins Topo vertrugen sich gut, sodass ich gemütlich weitermachen konnte.
Bevor sich aber allzuviel Entspannung breit machte, galt es noch die letzten zwei schweren Längen zu absolvieren (L18+L19, 6a+). Vor allem L18 ist nochmal ein ziemliches Gerät, zuerst gutgriffig, aber auf Gegendruck den steilen Pfeiler empor, um dann die "feine Linksquerung" in Angriff zu nehmen. Vielleicht war ich schon müde, auf jeden Fall fand ich die "feine" Lösung nicht und musste etwas mehr Einsatz zeigen für diese Stelle, die sich eher wie ein 6a+ Boulder anfühlte. Tipp: etwas oberhalb vom Haken hat es Griffe ;) Vorbei ist es dann noch (lange) nicht, den Stand gibts erst nach einer steilen Rissverschneidung (jamming, yes!) und einer letzen Querung.
Das Wandbuch in der Nische nach L18 (wo ich auch Stand machte) war leider absent und auch die Metalldose hat schon bessere Zeiten gesehen...
L19 (6a+) ist auch nicht gerade ohne, die Schwierigkeiten konzentrieren sich in einer harten Einzelstelle aus dem Stand raus und testen, ob noch Saft im Bizeps ist. Sehr steil und auf Gegendruck gilt es zweimal heftig zu blockieren, nur um dann einem runout zum nächsten Haken gegenüber zu stehen. Naja, schafft man die Züge vorher, dann geht das auch.
Leider quert der restliche Verlauf von L19 ziemlich nach links, was beim abseilen mühsam ist, aber immerhin kann man beim rope-solo die Exen hängen lassen :)
Den letzten Stand bezog ich also nach L19, den auch im weiteren Verlauf quert die Route konsequent nach links. Der Blick ins Topo zeigte, dass nochmals eine 5b+ Plattenstelle wartete, aber das würde schon ohne Seil gehen (oder!?). Ging dann auch, aber so ganz unknifflig wars auch nicht, das heisst man muss schon mal kurz schauen wo der einfachste Weg durchgeht.
Die letzte, kurze L21 führt auf einen kleinen Pfeiler von wo aus man in Turnschuhen entlang eines Grats den Hundstein-Gipfel erreicht. Dort kam ich um ca. 16:50 Uhr an, nach etwas mehr als 10 Stunden Kletterei (und Abseilerei). Zur selben Zeit kam auch eine Seilschaft an, die durch die rote Freiheit geklettert war.
Nachdem ich den Rest meines Zeugs versorgt hatte und nochmals kurz den Ausblick genossen hatte, stand noch der Abstieg ins Tal bevor. Der zieht sich schon nochmals, 2:20 Stunden standen dafür an, inkl. einem kurzen Einkehrer in der Hundsteinhütte auf einen grossen Sirup (mein Wasservorrat hatte gereicht, aber nur dank Rationierung...).
Gekrönt wurde dieser lange Tag von einem feinen Znacht gemeinsam mit Miriam in Weissbad. Sie war in der Zwischenzeit mit dem Zug auf Wasserauen gekommen und hatte noch eine kleine Runde zum Seealpsee gemacht. Nach so vielen Stunden allein in der Wand war ich dann doch sehr froh wieder in guter Gesellschaft zu sein! Denn wie eingangs erwähnt ist rope-soloing für mich vor allem ein Mittel zum Zweck, aber sicher kein Ersatz für gemeinsame Momente am Berg!
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