Furka - Sunnig Berg - Via Matthias (6b+)

Die Frage, ob und wie man an der Sunnig Berg Ostwand klettern kann, stellte sich mir das erste Mal als wir im 2022 auf dem Weg an den Winterstock daran vorbeiliefen. Die reiche Felsstruktur der ca. 160m hohen Wand wirkte auf jeden Fall sehr inspirativ. Nur die grossen Dächer im oberen Teil wirken auf den ersten Blick etwas abweisend. Trotzdem schien es nicht unwahrscheinlich, dass bereits jemand diese "offensichtliche" Wand durchstiegen war. Und tatsächlich, nach Konsultation von Bruno Müller, einem Teil des lokalen Urgesteins, stellte sich heraus, dass 1988 bzw. 1991 bereits zwei Routen begangen wurden, nämlich die Via Matthias und die Zorro. Beide folgen den intuitiv logischen Linien, die der Fels vorzeichnet.

Eine Sanierung schien auf jeden Fall spannend, aber erst im 2025 ergab sich eine Gelegenheit die Arbeit anzugehen. Der Erstbegeher J. Fodor war glücklicherweise einfach ausfindig zu machen und zeigte sich dann auch sogleich erfreut über die Aussicht, dass durch eine Sanierung wieder mehr Leute die Routen klettern gehen würden.

Für das notwendige Material fragte ich zunächst bei Eastbolt an, da aber der Furka nicht gerade im Osten angesiedelt ist, verwies man mich auf die zuständige Gruppe Rebolting. Hier zeigte man sich ebenfalls äusserst offen und hilfsbereit und nur wenige Tage später (!) konnte ich am Weg an den Furkapass eine grosszügige Menge Silber mitnehmen.

Zuvor galt es aber noch einen motivierten Partner zu finden und ich war sehr froh, dass ich Philipp für das Unternehmen gewinnen konnte. Denn man muss sich bewusst sein, dass eine Route zu erschliessen oder zu sanieren im Vergleich zum Wiederholen ziemliche Knochenarbeit ist...

Zu unserer grossen Freude hat sich die Mühe aber absolut gelohnt und wir konnten am 29.06.2025 die Via Matthias aus ihrem Dornröschenschlaf wecken und nun im Bezug auf ihren Erlebniswert bedenkenlos zur Wiederholung empfehlen.

Via Matthias (6b+, 7 SL, 210m)

Jürgen Fodor & Timothy Skinner 1988, in memoriam Matthias Avirovic †1988
Sanierung 2025, Viktor Wegmayr, Philipp Schönle

Charakter: Risse & Verschneidungen, stellenweise auch Wand- und Plattenkletterei.
Absicherung: Semi-trad, mobil abzusichern wo gut möglich, in den kompakten Abschnitte der Schwierigkeit angemessen Edelstahl-BH. 

Einstieg: LV03 678'675,163'067
Seehöhe: 2492 m
Exposition: Ost
Zustieg: 1:15 h ab Gspenderboden
Material: Friends 0.2-3 + 0.2-0.4, Keile
Abseilen: 5x in gerader Linie über routenunabhängige Piste

Link zum detaillierten Topo.

Sunnig Berg Ostwand und der Verlauf der Via Matthias

L1 (6b, 25m, #all)

Schon von fern lockt diese wunderschöne Riss-Schuppe, die nach oben immer steiler wird. Wechsel zwischen Jamming & Piaz. Bis auf den Einstiegsmove und einen Aufsteher weiter oben ist die Länge zum selbst absichern. Neu Stand am ersten bequemen Absatz.

Die erste Länge (6b), ein richtiger Eye-Catcher!

L2 (6a+, 20m, #all)

Verschneidungssystem, das mit viel Spreizen und Stemmen überwunden wird. Risse in der Verschneidungswand bieten immer wieder gute Griffe und Placements. Zuletzt ermöglicht ein Bolt die direkte Linie über einen plattigen Bauch.

Sprannende Sache anfangs von L2 (6a+)

L3 (6b+, 20m, #0.2-0.4 + Keile)

Eine steile Zone, die ursprünglich vermutlich mit einer kleinen Schleife erklommen wurde. Neu kann man directissima hochklettern - zuerst ein Bolt am Schritt in die Wand, danach gilt es einen Schlitz zur Absicherung der folgenden Wand-Crux zu nutzen. Die obligatorische Crux dann ein entschlossener Zug und schon kann der nächste Bolt geklippt werden. Oben kann man immer wieder gegen eine grosse Schuppe ausspreizen und so gemütlich ein paar Keile versorgen. Oberhalb weist ein Bolt den Weg zum Stand linkerhand durch eine kurze geologische Störzone.

Gerade die Crux in L3 (6b+) geschafft.
Möglicherweise kann man etwas rechts davon auch klettern. 

L4 (6b+, 30m, #all)

Ein rissdurchzogenes Schuppensystem führt an ein kleines Dächli heran. Dort wo sich die Schuppen nicht zum legen eignen gibt es einen Bolt, ebenso beim Ausstieg nach dem Dächli wo kurz eine durchwachsene Zone folgt. Die ursprüngliche Linie verlief hier nach rechts weiter an die Risse im Dach, wo sich damals auch die Crux befand. Dank drei Bolts klettert man nun direkt die steile, kompakte Verschneidung linkerhand. Zuerst gehts noch moderat dank guter Absätze, aber zuletzt spitzt sich die Sache zu und es braucht Technik und Power um mithilfe weniger Struktur den genialen Henkel zu erhaschen. Danach kann man sich sammeln und die letzten coolen Züge zum Stand planen und absichern.

Sieht steil aus, aber geht noch: Start in L4 (6b+)

Rückblick in den zweiten Teil von L4 (6b+):
Man beachte den tollen Henkel am Ende der Kante von der kompakten Verschneidung.

L5 (6b+, 25m, #all)

Bereits früher gab es hier 2 Bolts & 1 Schlaghaken in einer ominösen A1 Sequenz. Und sollte der dünne Fingerriss zugewachsen sein, dann geht es wohl auch gar nicht anders. In sauberem Zustand klettert sich der Riss allerdings super: fingrig & fein. Eine sehr technische Sache, bei der man ungemein von gut stehen und jammen profitiert. Jeweils ein Bolt sicheren den kompakten Einstieg und den Ausstieg ab und dazwischen wo die Musik spielt braucht es Gear der Grösse 0.2-0.4. Der zweite Teil der Länge bietet dann noch Abwechslung auf einer schönen Platte (cams #1-3 + Bolt) bevor man über eine kurze Verschneidung mit breitem Riss (#2-4) den Stand erreicht.

Technisch anspruchsvoller Fingerriss in L5 (6b+)

Rückblick in die obere Hälfte von L5 (6b+) wo nochmals eine Platte und breite Risse warten.

L6 (5c, 45m, #all)

Liegende Platte mit allerlei mehr oder weniger seichten Rissen. Dank zwei Bolts kann man sich entlang der kompakteren Abschnitte bewegen und erreicht so die Verengung an der rechten Kante, wo nochmals ein Bolt den einfachen, aber luftigen Quergang markiert (man klettert nun oberhalb der eindrücklichen Steilzone). Der Stand erweist sich dann ultra-bequem und geräumig. Hier befindet man sich nun auch auf der routen-unabhängigen Abseilpiste.

Liegende Platte in L6 (5c). Es geht rechts an die orange Kante.

L7 (5a, 45m)

Einfache Gipfelseillänge, aber durchaus ganz nett. Man kann zwei neue Bolts einer anderen Route mitbenutzen. Oben am Gipfelplateau kann man sich ebenfalls gut bewegen und eine schöne, aussichtsreiche Rast einlegen.

Gipfelseillänge L7 (5a)


Blick vom Sunnig Berg Gipfelplateau zum Winterstock.

Abseilen

Vom Top retour an den Bivi-Ledge-Stand von L6 (45m) und dann weiter in gerader Linie bis zur Dachkante (40m). Von dort lässig freihängend bis auf die Platte in der grossen Rinne (48m). Man kommt bereits vor dem Stand an den Fels, aber falls die eigenen Seile "kurze" 50m aufweisen sollte man das Seilende besser im Auge behalten. Der nächste Abseiler (40m) geht nochmals ziemlich grad runter an ein kunstvoll selbst-geschmiedetes Standplättli ala Irniger. Von da ein fünftes und letztes Mal abseilen auf den Boden (35m).

Gedanken zur Sanierung

Allgm. Bemerkung: Das wenige alte Material ist ebenfalls noch vorhanden (siehe altes Topo).

L1

Den ersten Bolt am Einstieg haben wir nachträglich gesetzt, einerseits um den Einstieg zu markieren und andererseits weil man doch vom Boden weg bereits ein paar Bewegungen machen muss. Danach folgt man relativ einfach dem geneigten, offenen Riss, der an einzelnen Stellen gut zum absichern ist. Dort wo der Riss steiler wird bieten sich dann gute Placements in verschiedenen Grössen, sodass wir trotz den Schwierigkeiten von einem Bolt abgesehen haben. Dort wo die Erstbegeher dann einen Schlaghaken gesetzt hatten, gaben wir auch einen Bolt, obwohl man schon legen könnte - allerdings nur einen mikro-sized Cam und erst noch hinter eine grosse, eingeklemmte Schuppe. Das würde wohl schon halten, allerdings braucht es bei so einem kleinen Cam nicht viel "Expansion" damit er im Fall der Fälle nicht halten würde. Danach entschieden wir uns bereits am ersten Absatz Stand zu machen, da es eine bequeme Gelegenheit war und auch einiges an Material bereits verlegt war...

L2

Traumhaft wie man den ersten Teil in der Verschneidung selbst absichern kann. Oberhalb war es mit der Bohrmaschine am Gurt nur logisch weiter gerade zu gehen statt nach rechts auszuweichen. So lässt sich der plattige Bauch entspannt klettern. An der Steilstufe angelangt stellte sich die Frage ob man direkt weitergehen sollte. Allerdings hatte ich bereits wieder einen guten Teil meines Gears verbraucht und auch keinen guten Sichtkontakt mehr mit meinem Sicherungsmann. Daher entschloss ich mich einen "taktischen" Stand einzurichten - denn einen BH hätte man hier sowieso gemacht, also war die Aufdopplung naheliegend.

L3

Tja, im Nachhinein stellte sich die ganz direkte Linie doch etwas kühner als gedacht heraus* - es ist merkbar steiler als es auf den ersten Blick aussieht. Der erste Bolt, der den Schritt in die Wand absichert, wäre im Nachhinein nicht unbedingt notwendig gewesen, da man kurz danach auf einen formidablen Riss trifft. Aber so ist zumindest klar wo durch und man muss nicht lang herumbasteln knapp über der Platte unterhalb. So kommt man dann zu einem soliden Schlitz der zwei Cams (#0.2 und #0.3) aufnimmt. In dem folgenden, kompakten Abschnitt war es für mich unmöglich aus der Kletterstellung zu bohren und so half nur das Prinzip Hoffnung, dass oberhalb die Griffe gut genug zum bohren sein mögen. Das waren sie dann tatsächlich und so liess sich dann anstrengend ein Bolt montieren. Wir diskutierten dann noch, ob wir die etwas obligatorische Stelle so hinterlassen sollten. Da der Abstand zwischen Cams und Bolt "nur" ziemlich genau 2m sind, die Placements solid und notfalls Sturzraum vorhanden war beliessen wir es schlussendlich dabei.
Der Ausstieg ist dank Verschneidung dann weniger schwer und es lassen sich vernünftig Keile platzieren, sodass sich kein BH aufdrängte. Oben angelangt war mir nicht sofort klar ob links oder rechts, und auch der Fels ist hier kurz nicht top-notch und bietet keine Placements. Darum hier der Bolt, obwohl es nicht sonderlich schwierig ist.

*Erst daheim, beim Studium der Bilder, beschlichen uns Zweifel, ob man früher nicht doch an der orangen Schuppe rechts in Griffweite geklettert war...ich hatte sie nicht näher untersucht, da sie auf den ersten Blick nicht besonders gut verwachsen wirkte.

L4

Die grobe Richtung ist hier klar, aber man kann dann immer noch zwischen drei Wegen wählen: weit links in die Verschneidung, links an die Stufe oder rechts durch die grasige Rinne. Also wählte ich den Mittelweg an die Stufe und setzte an die Kante einen BH, da hier die Risse nicht super solid wirkten und die Orientierung so einfacher ist. Man könnte sich die schöne, cleane Fingerriss-Verschneidung links gönnen, aber das wäre etwas unlogisch, weil schwieriger und soviel sei gesagt, oberhalb des Dächlis ist der Riss dann sehr sehr dünn. So geht es mit vernünftigen Placements an das kleine Dächli heran, das sich gut bewerkstelligen lässt (verlängern!). Oberhalb kommt kurz durchzogenes Terrain, die Platte links davon sieht diffizil aus. Hier wäre der Bolt aufgrund der Schwierigkeit nicht zwingend, aber falls es einmal ein wenig nässeln sollte oder jemand sich die Platte links gönnen möchte, dann ist man schon froh über den Bolt.
Der folgende Abschnitt stellte mich einen Moment lang vor ein Rätsel. Die Linie im alten Topo ist hier sehr vage und notierte lediglich 7- mit einem Schlaghaken. Ging es links in die steile, kompakte Verschneidung? Oder doch rechts wo zumindest ein paar Risse im Dach lockten? Leider konnte man aus meiner Position nicht gut sehen wie es oberhalb des Daches weiterging. Mit reichlich Unsicherheit entschied ich mich letztlich für die Verschneidung, auch wenn es eher nicht die logische Wahl war. Allerdings konnte ich sehen, dass zumindest anfangs gute Absätze in der Verschneidung vorhanden waren und von dort schien es nicht mehr weit an die Kante oben. So setzte ich wieder auf das Prinzip Hoffnung. Der erste Bolt ging, auf der Platte stehend, noch gut von der Hand. Der zweite war dann recht anstrengend, da man bereits in der Verschneidung engagiert ist, immerhin mit dem Absatz in der Hand. Dieser stellte sich als so gut heraus wie erhofft, allerdings erst nachdem ich ihn vom Moos befreit hatte. Der dritte Bolt drohte dann ultra-mühsam zu werden, aber glücklicherweise konnte ich einen Mikro-Keil legen und so halbwegs entspannt bohren.
So lässt sich der Move an die Kante super machen, notfalls auch A0. Die letzten Züge zum Stand lassen sich vernünftig (#0.5, #0.2, ggf. #0.1) absichern und lösen sich auch besser auf als man auf den ersten Blick vermuten könnte.

L5 

Der erste Anblick der ominösen A1 Stelle liess uns nicht gerade frohlocken: steil, trittlos und der Riss komplett verwachsen. Aber zuerst hiess es mal an den ersten, alten Bolt gelangen und diesen erneuern. Hier muss ich eingestehen, dass ich den Bolt auch lieber ca. 30cm weiter rechts gemacht hätte, damit er schön in der Linie ist. Allerdings tönte der Fels hier hohl, sodass wir den Spreizanker lieber ein wenig verschoben haben.
Nun gings ans Eingemachte, sprich den Riss putzen - ein langwieriges Unterfangen! Vermutlich hatten sich bereits die Erstbegeher darum foutiert und deshalb kurzerhand auf A1 gesetzt. Auch geputzt ist der Fingerriss noch knifflig, aber super zum absichern und durchaus gut kletterbar. So konnten wir auch den wackeligen Schlaghaken ohne fixen Ersatz entfernen. Dort wo der Riss endet hätte es nach der Reinigung genug Möglichkeit zum mobil sichern, aber wir entschieden uns schlussendlich doch dafür den alten Bolt zu erneuern.
Oberhalb auf der Platte lässt sich zunächst super legen (#1, #3) und den folgenden Bolt hätte es im Nachhinein nicht zwingend gebraucht, weil sich kurz darauf Placements freilegen liessen. Aber einerseits hatte ich das mühsame Putzen langsam satt und andererseits dient der Bolt durchaus noch als Wegweiser, damit man nicht zu früh an die weniger schöne Kante abdriftet. Ausserdem lässt sich so eher noch die Stufe direkt klettern ohne grosse Schweissausbrüche zu riskieren.
Zuletzt wird die Länge noch von einer Rissverschneidung gekrönt (unten #2, oben #3-4).

L6

Die grosse, liegende Platte sieht auf den ersten Blick ein wenig grasig aus, aber es ist mehr als genug Fels vorhanden um schön durchzukommen. Diese Länge weckte in mir Erinnerungen an die kürzliche Begehung des Schattenspiels am Bockmattli - dort gibt es eine ähnliche Schlusslänge, allerdings in deutlich schlechterem Fels und ohne Zwischensicherung auf 40m. Wer dort dann noch dem lapidaren Kommentar "evtl. kleine und mittlere Friends" Glauben schenkt kann sich auf ein "Abenteuer" der weniger lustigen Sorte einstellen.
Das wollten wir natürlich besser machen und investierten zusätzlich zu den natürlichen Möglichkeiten (#1, #0.5) zwei Bolts um die Abstände homogen zu halten und ein Steigen im kompakten Fels zu ermutigen.
Der Bolt oben an der Kante dient vor allem zur Orientierung, damit sich nicht noch jemand komplett verkoffert, denn obwohl ich einigermassen konfident war, 100% sicher war ich mir auch nicht, ob es nicht ggf. auch etwas unterhalb durchgeht. Ausserdem lässt sich an dieser Stelle,nicht besonders gut legen.
Der restliche Quergang geht ebenfalls gut, auch platzieren lässt sich das eine oder andere (#3, #0.2).

L7

Die letzte, einfache Länge könnte man sich schon sparen und direkt auf die Abseilpiste wechseln. Aber so würde man das aussichtsreiche, gemütliche Plateau verpassen und "ganz oben" wäre man auch nicht gewesen.
Wir wollten uns das nach all der Schinderei natürlich nicht entgehen lassen und stiegen nochmals hoch. Am Weg fanden wir zwei bestehende Inox-Bolts neueren Datums vor, die wir gern mitbenutzen. Als Philipp dann recht lange zum Stand machen hatte, packte ich intuitiv nochmals die Bohrmaschine ein - und siehe da, es schien tatsächlich keinen fixen Stand zu geben. Diesem Mangel verschafften wir dann auch kurzerhand Abhilfe. Es soll einen Abstieg durchs Couloir geben, aber der ist vermutlich nicht so prickelnd, vor allem wenns noch nass wäre oder Altschnee hätte.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Handegg - Howalthlon

Teufelstalwand - Laura (7a)

Schafberg - Tausendfüessler 6b+