Filderchöpf - Mentaltraining VII (Erstbegehung)

Schon oft haben wir im Sommer die Vorzüge der Filderchöpf auf der Appenzeller Seite des Alpsteins für kleinere Klettertouren genossen: die Anfahrt von Zürich und der Zustieg halten sich in Grenzen, die Nord-Ausrichtung garantiert erträgliche Temperaturen und der Fels erinnert in guter Weise ans Bockmattli. Bei der Begehung der bestehenden Touren fiel uns immer wieder der freie Raum auf der linken Seite des Turms auf, sodass wir diesen bald einmal genauer unter die Lupe nahmen, um das Potential für eine neue Linie abzuklären. Und tatsächlich fanden wir einen logischen Riss-Einstieg etwas links von der Pesadilla - aber offensichtlich waren wir nicht die Ersten, es steckten hier schon (noch) einige gammelige Schlaghaken und Holzkeile. Trotzdem hatte die Linie unsere Neugier geweckt und im Sommer 2020 rückte ich für eine erste Erkundung im Alleingang an.

Wandbild der Filderchöpf-Nordwand. Verdeckt durch eine vorgelagerte Felsplatte startet in der Schlucht im linken Wandteil neben der Pesadilla (blau, 6c) auch das Mentaltraining (VII).

L1 VII (45m, 1BH, #0.4-3, Keile)
Am Start folgt man dem offensichtlichen, liegenden Riss dessen Einstieg mit einem Bohrhaken und zwei Normalhaken markiert ist (ca. 25m links der Route Pesadilla). Zunächst klettert sich der Riss relativ leicht wie eine Rampe, die immer wieder gute Tritte und Rastpositionen bietet. Dafür ist der Riss grundsätzlich etwas splittrig und moosig, aber geht schon. Man kann bis zum neuen Bohrhaken noch zusätzlich mit Cams der Grösse #0.5 und #2 absichern. Am Bohrhaken folgt dann die Riss-Crux, die Tritte schwinden und ausser Hand-Jams gibts nichts zum Greifen. Jammies sind hier sehr von Vorteil, denn der Rissgrund ist ziemlich wasserzerfressen und der Druck der spitzen Felsnädelchen wäre sehr unangenehm am Handrücken. Das Bewegungs-Problem besteht vor allem darin den Riss nach oben aufs Band zu verlassen, denn dort warten leider keine rettenden Henkel. Nach der Crux kann beim Exit aufs Band noch ein guter #0.75 versorgt werden. Der nächste Abschnitt folgt der Kante links, hier gibt es einige Schlitze, die kleine Cams bzw. Keile aufnehmen, aber vor allem hilft der Schritt vorwärts, was im kompakt-griffigen Fels auch ganz gut geht. Oberhalb wendet man sich wieder nach rechts zur Wand, wo #0.4 ziemlich gut passt. Das Graspodest erklimmt man mit zwei, drei Piaz-Zügen und erreicht  danach an einem alten Schlaghaken vorbei eine kurze, aber knifflige Verschneidung, wo wie gerufen ein #1 gelegt werden kann. Danach ist es vorbei mit den Schwierigkeiten, der V-förmigen Rinne folgend (#3) erreicht man bald den bequemen Stand.

Der liegende Riss in L1 (VII).

L2 VI (35m, 3 BH, Keile, Mikrofriends, #1)
Zuerst hatte ich gehofft den Schuppen über dem Stand folgen zu können, aber vor Ort sahen diese deutlich zu brüchig aus. So blieb eigentlich nur der angelehnte Pfeiler und dessen Verschneidung auf der rechten Seite. Diese klettert sich entgegen dem grasigen Anblick tiptop, ein Keil am Beginn des Pfeilers verkürzt den doch recht weiten Weg zum ersten BH. Allerdings ist die Kletterei einfach genug, sodass man ohne grosse Bedrängnis den Bohrhaken erreicht. Kurz darauf findet man in der Verschneidung sogar noch einen alten Schlaghaken, also fand man bereits damals, dass an diesem Punkt eine solidere Sicherung nicht verkehrt ist. Der Weg auf den Pfeilerkopf lässt sich mit zwei guten Mikrofriends und #1 dann vernünftig absichern. Vom Pfeilerkopf aus nimmt man wieder die Wand in Angriff, es stecken hier zwei Bolts, die Kletterei ist nicht extrem schwer, aber etwas unübersichtlich und schwer einzuschätzen. Hier kann man den Weg zum Bolt mit einem grossen Keil etwas entschärfen. Es scheint, dass frühere Begehungen bereits auf dem Turm endeten, zumindest fand ich danach kein altes Material mehr vor.

Rückblick auf den Pfeiler und die kurze Wandsequenz in L2 (VI).

L3 VII (40m, 4BH, #0.3-1#3, Mikrofriends oder sehr kleine Keile)
Während die ersten beiden Längen den logischen Schwachstellen folgen (Risse, Verschneidungen), kommen nun auch die Sportler auf ihre Kosten. Was nicht heisst, dass das Rack am Stand bleiben kann - im Gegenteil. Auf den ersten 25m ist die Wand fantastisch durch Schlitze und Risse strukturiert und der Fels durchgehend fest, sodass man hier schön clean steigen kann. Gleich zu Beginn kann man cams der Grösse #0.3-0.75 verbauen und sollte danach auf keinen Fall das Bomber-#1-Placement übersehen, denn darüber heisst es gehörig vorwärts steigen: Die Crux besteht darin sich an sloprigen Rissen nach oben zu arbeiten, aber mit ein paar Foot-Jams kommt man auch hier ganz gut durch. Im oberen Teil findet man zwar nicht mehr die perfekten Placements, aber es ist auch nicht mehr ganz so schwer. Kleine Keile bzw. Mikrofriends passen trotzdem ganz gut, einen #3 kann man auch einsetzen.

Nach dem cleanen Auftakt gelangt man an ein schmales Band, wo rechts auch die Pesadilla hochkommt. Das Mentaltraining gibts aber links, hier kann man auch wieder einmal klippen (verlängern!), bevor es an grossen Schlitzen nach links in die Wand geht. Die folgende Querung an die Kante führt kurz durch etwas heikel-brüchiges Terrain, man gebe Acht um nicht den Stand unterhalb zu bombardieren. Zum Legen bietet sich hier nicht viel an, deshalb auch der BH zu Beginn der Kante (verlängern!). Um Seilzug zu vermindern, sollte man hier idealerweise die Vorteile von Halbseilen in der Seilführung nutzen. Die letzten Meter zum Stand führen durch eine Verschneidung, welche mit zwei weiteren BH abgesichert ist. Die Felsqualität der Verschneidung ist top und was zunächst schwierig aussieht, lässt sich mit etwas Bewegungs-Kreativität und dem unverhofften Finden einiger Griffe ganz gut auflösen. Zuletzt an vertikalen Schlitzen nach links in die Wand queren zum versteckten Stand an der linken Kante.

Die letzten Meter in der schönen Verschneidung von L3 (VII).

L4 VI- (45m, 2BH, #0.3-2, Mikrofriends, Schlingen)
Bereits vom Stand kann man den markanten Diagonalriss ausmachen, der nach links oben verläuft. Zuerst gilt es aber auf ein paar einfachen Meter aufmerksam zu steigen, da hier nicht alles fest ist, das brüchig aussieht. Man kann unterwegs einen Köpfel schlingen, aber das ist auch eher nur für den Kopf. Entlang des Diagonalrisses passen dann wieder kleinere und mittlere Cams. Am Ende des Risses erreicht man einen ersten Grasabsatz, wo dann auch ein Bolt geklippt werden kann. Die Wandpassage danach geht ganz gut, aber Aufmerksamkeit dem Fels gegenüber ist weiterhin angeraten. Die Wasserrillen sind aber entgegen ihrem Anschein zumeist recht kompakt. Dem ersten Bolt entschwunden, berührt man kurz die Kante links und erreicht dann einen weiteren Grasabsatz mit dem zweiten und letzten Bolt dieser Länge. Kurz darauf findet man sogar ein sehr gutes 
#2 Placement, welches ich aber leider aufgrund von Bewuchs erst nach dem Setzen des BH entdeckt hatte. Böse um den Bolt wird man trotzdem kaum sein. Die etwas rustikalen Wasserrillen klettern sich auch hier recht gut, und es finden sogar Mikrofriends (Dragonfly 4) und ein #0.5 Platz. Hat man diesen Abschnitt passiert, erklimmt man links die Schulter der Wand und steigt die letzten Meter durchs Gras (Schlinge um Bäumchen) zum komoden Abseilstand rechterhand.

Ausblick auf die etwas rustikale L4 (VI-), welche zuerst dem markanten Diagonalriss nach links an die Kante folgt. Insgesamt ist der Fels besser als er aussieht, trotzdem ist man besser vorsichtig unterwegs ist.

Abseilen über die Route in vier geraden Manövern, aufgrund der bisher wenigen Begehungen liegen allerdings noch stellenweise lose Steine in der Wand. Einige davon haben wir beim Abseilen bereits entfernt.

Filderchöpf - Mentaltraining (VII/VII obl., 4SL, 165m)
L1 - L3 Viktor Wegmayr 2020 im Alleingang
L4 Viktor Wegmayr & Miriam Kofel 2021

2x50m Seil
8 Expressschlingen, verlängerbar
Cams BD #0.3-3, Keile klein bis gross, Mikrofriends (Dragonfly 2-4), Schlingen

Abenteuerliche und abwechslungsreiche Tour durch den linken Teil der Filderchöpf-Nordwand. Trotz der schattigen Verhältnisse bringt man besser einen kühlen Kopf mit, es stecken insgesamt 10 Zwischen-BH, allerdings lassen sich überraschend oft gute mobile Zwischensicherungen platzieren. Dem Gestein, bzw. seiner Festigkeit muss man auch immer wieder Beachtung schenken, allerdings gibt es jederzeit solide Möglichkeiten zur Fortbewegung. Die Vorstiegs-Crux in der dritten Länge absolviert man mit den Füssen über dem (super) Cam, dh. etwas Reserve auf den siebten Grad schont sicherlich die Nerven. Der Riss in der ersten Länge ist auch eine Knacknuss, aber hier klettert man nah am BH. Ansonsten bewegt man sich hauptsächlich entlang schöner Verschneidungen und durch von Schlitzen strukturierte Wandpartien, ähnlich wie am Bockmattli. Zuletzt sei noch bemerkt, dass die Tour auf dem Papier zwar recht kurz wirkt, aber hier ein durchaus ausgiebiges Unternehmen auf seine Wiederholer wartet!

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