Filderchöpf - Pesadilla N°1 (6c, rope solo)

Sommerlich heisses Wetter mit Temperaturen über 30°, das hält man ja nicht aus - zumindest nicht im Flachland...und wenn schon schwitzen, dann richtig. So entschied ich mich spontan für einen Besuch an der NW-Wand der Filderchöpf im Appenzell, die wir erst letztens für den Filderpfeiler besucht hatten. Zwar klettert man dort nur auf ca. 1650m Seehöhe, aber zumindest etwas Schatten sollte es dank der NW-Ausrichtung geben. Und sowieso, eine Route fehlte mir noch an der Nordwand, nämlich die Pesadilla N°1 (6c). So kurzfristig war natürlich kein Partner gefunden, aber diese sehr gut abgesicherte Route mit einer geraden Linie eignet sich eben auch ausgezeichnet für einen Alleingang. Also Zeug ins Auto werfen und los gehts!

Blick auf die Filder-NW-Wand, die Filderchöpf bilden den höchsten Punkt.

Von Zürich düst man in ca. 1:20h zum Ausgangspunkt (P.1138). Laut SAC-Führer gelangt man von dort in 1:15h gemütlich an den Wandfuss, wenn man draufdrückt gehts auch in 40min. Zuerst folgt man kurz noch der Strasse zur Neuenalp, bevor man linkerhand auf einem Pfad auf den Grashügel P.1270 folgt. Dort trifft man wieder auf den rot-weiss markierten Wanderweg, der einen zügig weiter führt. Man folgt dem Weg bis auf ca. 1500m wo ein Weidezaun gerade den Hang zum rechten Teil der Wand hochzieht (kurz nach dem ersten, grossen Couloir). Am besten zweigt man hier ab und folgt dem Zaun bis an sein Ende, wenige Meter danach erkennt man Spuren, die einen auf ca. gleicher Höhe querend nach links zum Einstieg führen. Alternativ zweigt man bereits vor dem Couloir direkt zur Wand ab, man findet vereinzelt Wegspuren, die zur Wand hin zunehmen. Auf jeden Fall sollte man den Einstieg der Pesadilla anvisieren, dh. links an dem vorgelagerten Felsdreieck vorbei.

L1 6c (30m)
Ich kannte diese erste (Crux-)Länge bereits von zwei vorherigen Besuchen, wo ich sie bereits klettergarten-mässig gepunktet hatte. Dies war definitiv von Vorteil, da es sich um recht schwierig zu lesende, senkrechte Wandkletterei an allerlei kleinen Griffchen und Trittchen handelt. Ich kann mich noch gut an meinen allerersten Versuch erinnern und wie hoffnungslos ich mich da verklettert hatte...aber bereits der zweite Go fühlte sich um Welten einfacher an. Wenn man mal weiss wo durch, immer schön steht und sich Zeit nimmt den nächsten Zug zu analysieren, dann kommt man eigentlich noch recht komod durch diese anhaltenden 20 Meter. Trotzdem musste ich mich im Vorstieg einmal zum Clippen an der Exe halten, da meine Position und Pump-Level eher mittelprächtig waren und ich mir nicht sicher war, ob es zum (beim rope-solo aufwendigerem) Clippen langt. Sicherungstechnisch ist aber alles tip-top, es befinden sich am Einstieg gleich zwei Standhaken, sodass man sich das Gebastel während dem Klettern ersparen kann. Die folgenden Hakenabstände sind eng genug, allerdings darf man schon auch klettern dazwischen.

L2 6a/6b (35m)
Hier wurden zwei Varianten eingebohrt, einerseits direkt durch die Wand (6b) bzw. entlang der grossen Schuppe (6a). Also für mich gab es vor Ort keinen Zweifel daran, dass man die ersten Meter am besten an der Schuppe macht, es ist wirklich so viel logischer und nicht minder schön. So umgeht man wohl die plattige 6b Wand-Crux gleich am Stand, aber kurz nach den ersten Clips kann man dann gängig nach rechts in die Wand wechseln und dort weitersteigen. Mit dieser "Variante" bekommt man eine recht schöne und logische Möglichkeit um die 6a+ herum, immer an guten Leisten oder seitlichen Schlitzen, wobei die Fels-Festigkeit nicht überall über jeden Zweifel ehaben ist. 

L3 6a+ (30m)
Es ist ca. 15 Uhr und die Sonne kommt bereits in die Wand...etwas früher los wäre wohl nicht verkehrt gewesen, aber hier oben ist die Luft immerhin nicht so feucht wie im Flachland, sodass die Hitze nicht so sehr drückt. Alpin-orientierte Leute würden in dieser Länge wohl länger der grasigen Rampe in die genauso grasige Verschneidung folgen, aber die Bohrhaken locken schon bald in die kompaktere Wand daneben. Nach wenigen Metern teste ich unverhofft mein System, da mir völlig unerwartet ein Griff ausbricht, noch dazu während eines Piaz-Moves! Der Abgang ist zwar überraschend, aber wenig schlimm, da die letzte Sicherung (Sanduhr) nicht weit weg ist. Generell ist die Felsqualität gut, aber wie in den meisten Routen hier sollte man durchaus Vorsicht walten lassen... Ich mache ausserdem fälschlicherweise bereits am Abseilstand (Herz-Plättli) Halt, der eigentliche Stand befindet sich ein paar Haken weiter oben in der Verschneidung.

Der Anfang von L3 (6a+).

L4 6b+ (35m)
Da ich den eigentlichen Stand von L3 überklettere und nur mit einem 40m Einfachseil unterwegs bin, reicht mir das Seil nicht ganz bis zum nächsten Stand am Ende von L4. Allerdings erreicht man immerhin das Podest am Ende der Verschneidung, wo auch ein Bohrhaken ist. An diesem kann man abseilen und am Weg hinunter noch schnell einen zweiten Haken mitverbinden. Die Kletterei in dieser Länge ist wieder von hoher Güte, zuerst turnt man genussreich der Verschneidung bzw. Kante entlang, wobei man immer wieder von einem Riss rechts in der Wand Gebrauch machen kann. Zur Halbzeit spitzt sich die Lage zu, da die Verschneidung einen Bogen nach rechts macht, allerdings findet man bei genauer Begutachtung allerlei solide Griffe und Schlitze. Hat man den Bogen gemeistert, so steht nun die eigentliche Crux bevor, wie auch der ausschliesslich zur Hilfe belassene Bohrhaken rechts in der spiegelglatten Wand andeutet. Das Problem ist aber kurz und besteht aus zwei entschlossenen Piaz-Zügen, bevor man etwas run-out, aber leichter den Rest der Kante erklimmt.

L5 6b (48m)
Um diese Monsterlänge in einem Zug erledigen zu können muss ich mit meinem 40m-Seil weiter vorrücken und mache etwas weiter oben am Ende der Rampe/Verschneidung Stand an dem ersten Haken, der deutlich zu weit rechts in der Wand ist. Auf dieses Phänomen trifft man in dieser Länge leider vermehrt: Die Haken stecken merkbar abseits der logischen Linie. Die Erschliesser wollten wohl so viel wie möglich der kompaktesten Zonen mitnehmen, wobei man oft knapp daneben fast genauso schön, aber deutlich einfacher unterwegs wäre (bzw. ist...). So schlängelt man sich entlang von Rissen durch die Platten, aber ganz entkommt man den glatten Stellen nicht, sodass immer wieder auch etwas Entschlossenheit gefragt ist. Zuletzt erreicht man den Stand an der Kante, um die man nochmals ein paar Schritte seilfrei zum Gipfel benötigt, sofern man nicht über die Route abseilt.

Nach 5 Stunden und 2x180 = 360m Solo-Kletterei, durstig aber froh am Gipfel.

Abseilen
Mit 2x50m Seilen benötigt man lediglich drei Manöver über die Route Traumfänger, um wieder am Boden zu sein. Zwar liest man über erhöhte Steinschlaggefahr, allerdings beschränkt sich diese vor allem auf den schuttigen Teil am Gipfel bzw. in geringerem Ausmass am Plateau nach der ersten Abseil-Länge. Sofern man sich hier entsprechend vorsichtig bewegt besteht eigentlich keine Gefahr durch Abziehen des Seils Steine auszulösen. Allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass beim zweiten Abseiler der Seil-Knopf in einem Schlitz an der Kante verklemmt. Hier sollte der Seil-Letzte unbedingt auf eine passende Seilführung achten. Alternativ seilt man über die Pesadilla ab, allerdings braucht man dazu unbedingt 2x50m Seile und drei Manöver reichen vermutlich (!) nur, wenn man zuletzt stark nach rechts zum Einstieg vom Traumfänger abseilt. Mit einem 40m-Seil (und einer tag-line zum abziehen) kommt man gerade so vom obersten Traumfänger-Stand zum Plateau, danach muss man noch 4x jeden Stand anfahren (alle zum Abseilen eingerichtet). Man könnte natürlich auch über die S- bzw. SW-Seite zum Wanderweg abseilen, dann hat man aber besser die Schuhe mit im Gepäck. Diese Variante werd ich nächstes Mal genauer unter die Lupe nehmen.

Routennetz an den Filderchöpf, ganz links die Pesadilla No°1.

Kurzgefasst

Filderchöpf - Pesadilla No°1 6c (6b obl.) - 5 SL, 180m, Ken Tompkins 2008
Material: 14 Express, 2x50m Seil

Die nominell schwerste Linie an den Filderchöpf überzeugt mit einer super abgesicherten, geraden Linie zum Gipfel. Wobei manchmal in den einfacheren Passagen auch die Hakenabstände skalieren und die Haken nicht immer entlang der schwächsten Linie verlaufen.

Die Kletterei ist durchwegs steil und griffig, vor allem an Leisten und den typischen Kalk-Schlitzen. Grundsätzlich muss man hier kein Athletiker sein, meist helfen einem Stehvermögen bzw. Spürsinn weiter. Abgerundet wird das Repertoire durch diverse Verschneidungen entlang den Kanten der geschichteten Wandplatten.

Zwei Längen (L1 6c und L4 6b+) stechen im Bezug auf Schönheit definitiv hervor, aber auch der restliche Fels ist bis auf wenige Stellen schön. Wer den Traumfänger gut fand, der wird auch hier nicht enttäuscht sein.

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